barrierefrei·Newsletter | 28.06.2021

In Berlin gibt es in einigen Bereichen der Stadt den sogenannten "Milieuschutz". Hintergrund ist, dass die gewachsene Struktur im Wohnungsbestand geschützt und Luxussanierungen verhindert werden sollen. In der Definition eines Berliner Bezirksamts liest sich das so:

Das soziale Erhaltungsrecht sichert also den vorhandenen Wohnungsbestand.
So soll sichergestellt werden, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dort bleiben können, wo die Infrastruktur vorhanden ist, die sie im Alltag brauchen (...)

Um in einer Wohnung bleiben zu können, muss sie den Bedürfnissen der darin Wohnenden gerecht werden. Und weil sich diese Bedürfnisse ändern können, kommt das Stichwort Barrierefreiheit ins Spiel. Über den Tagesspiegel Checkpoint (hier, kostenpflichtig) wurde jetzt folgende Situation publik:
  • zwei Hausgemeinschaften
  • ausschließlich selbst genutzte Eigentumswohnungen
  • 80 % der Bewohner*innen über 60
  • Lage der Objekte im Milieuschutzgebiet
Um weiterhin in den Wohnungen bleiben zu können, sollen Aufzüge angebaut werden. Der Bezirk Schöneberg hat dies mit Verweis auf das soziale Erhaltungsrecht abgelehnt. Statt "dort bleiben können" folgt jetzt also "dorthin gehen, wo es barrierefrei ist".

Auf eine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus begründet der Senat die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens wie folgt:

Die Nachrüstung von Aufzügen ist nur ein Element einer wirksamen Barriere-Reduktion im Wohnungsbestand. Genauso bedeutsam sind der Abbau von Schwellen und Stufen, Verbreiterungen von Türen, ausreichende Bewegungsflächen im Küche-Bad-Bereich, ebenerdige Einstiege in die Dusche bis hin zu ausreichenden Abstellmöglichkeiten für Mobilitätshilfen.

Barrierefreiheit erhöht den Wert von Immobilien. Das ist Fakt. Barrierefreiheit ist jedoch kein Luxus. Dass das so gesehen wird liegt vor allem daran, dass es viel zu wenig barrierefreie Wohnungen gibt. Denn hier schließt sich der Kreis: eine barrierefreie Wohnung zu finden, wenn man darauf angewiesen ist, ist wirklicher Luxus.

Abschließend verweise ich auf die Begründung zur Barrierefreies Wohnen Verordnung Berlin, die im vergangenen Jahr in Kraft trat:

Ziel ist es, die(...) auf Grund demografischer Entwicklungen geforderte Quantität an barrierefreien Wohnungen in angemessener Qualität umzusetzen.

Wir brauchen mehr barrierefreien Wohnraum. Und weil es, anders als der Senat sagt, eben nicht nur mit dem Abbau von Stufen über das Hochparterre hinaus geht, braucht es eben auch Aufzüge.

Das kann und wird auch bedeuten, dass mehr sogenannte Luxuswohnungen entstehen. Es bedeutet aber vor allem, dass die Stadt sich auf eine alternde Bevölkerung einstellen kann. Damit Bewohner*innen "dort bleiben können, wo die Infrastruktur vorhanden ist, die sie im Alltag brauchen."
Egal, wo Du heute bist: mögest Du so lange dort bleiben können, wie Du willst!
Dein Martin

barrierefrei·Newsletter

twitter instagram linkedin